Twitter Rückschau zur Wahlnacht

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Deutschland hat einen neuen Bundestag gewählt. Schon kurz nach 18 Uhr am gestrigen Sonntag deutete sich an, was vor ein paar Monaten nur wenige geglaubt hätten: Die SPD wird stärkste Kraft, die CDU verzeichnet deutliche Stimmenverluste, die Grünen gewinnen deutlich, bleiben aber hinter den Erwartungen von vor einigen Wochen zurück. Wie verlief die Diskussion zur Wahlnacht auf Twitter?

Von Team (@ZahlenZurWahl)/Shanti Walde (@shanti_walde), European New School of Digital Studies

Kommunikation der Parteien in der Wahlnacht1

Datenquelle: Brandwatch

Wie viel twitterten die Parteien und Kandidierenden in der Wahlnacht auf Twitter? Insgesamt waren das im gewählten Zeitraum 1.133 Tweets . Mit 417 Beiträgen äußerten sich die Grünen auf Twitter am häufigsten. Es folgen die SPD mit 244, die FDP mit 192, die Linke mit 173 und die Union mit 61 Beiträgen. Mit nur 46 Beiträgen äußerte sich hingegen die AfD am Wahlabend der Bundestagswahl auf Twitter am wenigsten. Zum Teil spiegelt dies die Präsenz der Parteien auf Twitter wider: Grüne Accounts machen mit 21 % den größten Teil der Kandidat:innen auf Twitter aus, gefolgt von SPD (19 %) und FDP (16 %). Die Unionsparteien und Kandidierenden machen allerdings knapp 20 % der Accounts, jedoch nur 5,5 % der Tweets aus. Überraschend wenig. Selbes gilt für die AfD, deren Accounts 11 % des Samples ausmachen, jedoch nur 4,1 % der Tweets posteten. Beide Parteien hatten deutliche Verluste im Vergleich zur letzten Wahl hinnehmen müssen und waren vielleicht deshalb weniger mitteilungsfreudig auf Twitter. Diesem Trend steht Die Linke entgegen: Auch sie verlor verglichen zur letzten Bundestagswahl deutlich, twitterte aber etwa proportional zur Anzahl ihr zugehöriger Accounts (13 % der Accounts / 15 % der Tweets).

Datenquelle: Brandwatch

Auch im zeitlichen Verlauf zeigt sich, dass vor allem die Grünen und SPD die Ergebnisse diskutieren. Besonders bei den Grünen, aber auch bei der SPD lässt sich rund um Mitternacht ein klarer Anstieg der veröffentlichten Twitter-Beiträge erkennen. Vermutlich lässt sich dieser auf die kurz vor Mitternacht veröffentlichte Hochrechnung von Infratest/Dimap sowie die gegen Mitternacht publizierte Hochrechnung von ZDF/ARD zurückführen.

Wie äußerten sich die Parteien inhaltlich? Dafür haben wir uns die am häufigsten genannten Begriffe und Emojis nach Parteien angeschaut. In den Wortwolken unten zeigt die Größe eines Wortes an, wie oft ein Begriff genannt wurde. Die Platzierung ist zufällig.

CDU/CSU

Datenquelle: Brandwatch

Alle Parteien folgten der Tradition sich nach der Wahl bei ihren Wählern zu bedanken. Die Accounts der CDU/CSU taten dies mit den häufig genannten Worten Danke und Unterstüzung. Die Worte Glückwunsch, Danke und gratuliere sind an die Gewinner des Abends gerichtet: Direktkandidat:innen in mehreren Wahlkreisen und die SPD. Interessant ist, dass von der CDU und CSU direkt im Anschluss an die Hochrechnungen eine “Zukunftskoalition” ins Spiel gebracht wurde - andernorts häufig Jamaika-Koalition genannt. Obwohl die CDU/CSU nicht mehr stärkste Fraktion im neuen Bundestag sein wird, erhob sie damit dennoch den Anspruch, die neue Regierung zu führen. Der am häufigsten geteilte Tweet dazu kam von Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner:

SPD

Datenquelle: Brandwatch

Auch die SPD bedankte sich bei ihren Wähler:innen und feierte den Wahlsieg. Das sieht man an Worten wie gewinnt, Wahlsieg, Kanzler und mehreren Emojis. In mehreren Tweets machten Vertreter der Partei außerdem den Anspruch klar, zukünftig den Kanzler in einer neuen Bundesregierung zu stellen:

Grünen

Datenquelle: Brandwatch

Auch die Grünen feierten ihren Erfolg bei der Wahl mit Emojis. Das historische Ergebnis sortiert der offizielle Kanal der Partei zudem als Auftrag für Veränderung und eine Klimaregierung ein, und erhält dafür die meisten Retweets zum Thema:

Linke

Datenquelle: Brandwatch

Neben den üblichen Danksagungen an die Wähler und verhaltener Freude, dass die Partei aufgrund ihrer Direktmandate zumindest nicht aus dem Bundestag fliegt, besprach die Partei vor allem das niederschmetternde Ergebnis. Dabei finden sich unterschiedliche Schuldige, am meisten wurde allerdings dieser Tweet von der Bundesvorsitzenden Susanne Hennig geteilt:

FDP

Datenquelle: Brandwatch

Die FDP gehört mit ihrem bislang besten Wahlergebnis zu den Gewinnern des Abends. Auch hier zeichnen die meistgenutzten Emojis ein Bild der Freude über ihr zweistelliges Ergebnis. In diesem Ergebnis sehen die Liberalen einen Auftrag für eine “#Regierungsbildung aus der Mitte heraus”:

AfD

Datenquelle: Brandwatch

Das Interessanteste an der Wortwolke der AfD ist wie uninteressant sie ist. In den bloß 46 Beiträgen der Partei auf Twitter wiederholen sich Worte und Emojis kaum. Neben ein paar typischen Dankesphrasen und dem eigenen Wahlslogan als Hashtag sticht eigentlich nur der Name des CDU-Kandidaten Hans-Georg Maaßen heraus. In mehreren Tweets ärgern sich Vertreter der Partei darüber, dass dieser kein Direktmandat bekommt, der AfD-Kandidat ebenfalls nicht gewählt wurde, sondern ein Bündnis gegen Maaßen dem SPD-Kandidaten zum Sieg verholfen hat.

Emojis

Datenquelle: Brandwatch

Gemeinsam mit der FDP benutzten die Grünen am häufigsten Emojis als Mittel zum Ausdruck von Emotionen. Der von den Accounts der Parteien sowie der Kandidierenden am häufigsten benutzte Emoji ist eindeutig das grüne Herz. Dieser Emoji lässt sich klar der Partei Bündnis 90/Die Grünen zuzuordnen und wurde insgesamt 68 Mal, also fast doppelt so oft wie der zweite meistgenutzte Emoji, die Sonnenblume (38 Nennungen) benutzt.

Jenseits der zwei Flaggen von EU und Deutschland benutzten die Kandidierenden und Parteiprofile der Union nur die in Dankbarkeit zusammengeführten Hände. Doch dieser Emoji wurde nicht nur von der Union, sondern auch insgesamt oft benutzt. Mit 24 Nennungen steht er auf Platz 3.

#BTW21

Datenquelle: Brandwatch

Auch im breiteren Twitter-Diskurs wurde gestern intensiv über die Bundestagswahl debattiert. Doch worum ging es? Um uns ein Bild der Debatte zu verschaffen haben wir auch hier eine Wortwolke erstellt. Diese zeigt die im Zusammenhang mit dem Hashtag #BTW21 am häufigsten erwähnten Begriffen dar.2

Wenn man von dem Begriff Bundestagswahl absieht waren die auf Twitter im Zusammenhang mit dem Hashtag #BTW21 meist benutzen Begriffe die Parteikürzel der CDU, SPD, AFD und FDP. Mit 21.195 Nennungen wurde die CDU am häufigsten erwähnt. Es folgt die SPD mit 17.753 Nennungen, die AfD mit 16.442 Nennungen und die FDP mit 12.987 Nennungen. Die Grünen und die Linke folgen nach den Begriffen #Bundestagswahl, Laschet, Union, CSU und Bundestag mit jeweils 9.894 und 8.596 Nennung auf Platz 10 und auf Platz 12.

Datenquelle: Brandwatch

Wann wurde der Hashtag #BTW21 am häufigsten benutzt? Zwischen Sonntag 08:00 Uhr und Montag 07:00 Uhr wurden 139.550 Beiträge mit dem Hashtag #BTW21 geteilt. Insgesamt beteiligten sich 53.080 Nutzer:innen an der Debatte. Um 18:00 Uhr, also zum Zeitpunkt der Schließung der Wahllokale sowie der ersten Hochrechnungen lässt sich ein starker Anstieg in der Anzahl der Beiträge mit #BTW21 beobachten. Während zwischen 08:00 und 18:00 Uhr im Schnitt rund 8.000 Beiträge die Stunde verfasst wurden, waren es um 18:00 Uhr 26.911.

Datenquelle: Brandwatch

Betrachtet man hingegen nur, wie oft der Hashtag von den Accounts der Parteien oder der Kandidierenden erwähnt wurde, ergibt sich ein anderes Bild: die Anzahl der Beiträge, welche den Hashtag #BTW21 beinhalten, nimmt im Laufe der Zeit schrittweise ab. Waren es am Wahltag um 08:00 Uhr noch über 60 die Stunde, fiel die Zahl bereits um 20:00 Uhr auf unter 40 Beiträgen.

Vergleicht man die Nutzung des Hashtags #BTW21 vonseiten aller Twitter Nutzer:innen mit der Nutzung des Hashtags seitens der Profile der Parteien sowie der Kandidierenden, lassen sich somit zwei Trends beobachten: Die Parteien und Kandidierenden nutzten den Hashtag mit abnehmender Häufigkeit, während die breite Masse an Nutzer:innen den Hashtag ab 18:00, also nach Schließung der Wahllokale besonders intensiv verwendete.

Fazit

Was bleibt vom Wahlabend übrig? Die Frage nach der künftigen Koalition sowie eine Menge Zahlen. Hier also nochmal die Zahlen und Fakten in Kurzfassung: Die Grünen twitterten mit Abstand am meisten. Die CDU/CSU Fraktion, sowie die AfD twitterten jeweils nur überraschend wenig. Die Linke, die genau wie Union und AfD Verluste einbüßen musste, twitterten gegen den Trend der anderen beiden Parteien vergleichsweise viel. SPD und FDP feierten jeweils ihren Erfolg auf Twitter und standen somit nach den Grünen auf Platz 2 und 3 der auf Twitter aktivsten Parteien.

Inhaltlich äußerten alle Parteien die üblichen Danksagungen. Einige Unterschiede konnten wir dennoch erkennen. Die CDU/CSU bringt das Stichwort “Zukunftskoalition” ins Spiel. Union und SPD erheben beide den Anspruch auf das Kanzleramt. Die Grünen und die FDP feiern die Wahl mit besonders vielen Emojis und erhalten die meisten Retweets bei dem Stichwort Veränderung und Klimaregierung. Die Linke stellt die erworbenen Direktmandate nach vorne und setzt sich mit ihrem Verlust auseinander.

Und welche Rolle spielte der Hashtag #BTW21? Besonders ab 18:00 Uhr bot er den Rahmen für eine intensive Debatte, an der sich insgesamt 21.195 Nutzer:innen beteiligten. Die Parteien und Kandidierenden schienen sich hingegen zunehmend mehr mit anderen Themen z.B. Danksagungen zu beschäftigen. Bei Ihnen rutschte der Hashtag #BTW21 nach und nach in den Hintergrund.


  1. Datenquelle: Brandwatch; Erhebungszeitraum: 26.09. 18:00 Uhr bis 27.09 07:00 Uhr↩︎

  2. Für einen besseren Überblick der thematischen Schwerpunktsetzung wurde der Suchbegriff #BTW21 entfernt.↩︎